Die Schreibaufgabe #10 kommt von Hanna Mandrello HIER
Beim Einfügen in den Blog und erneutem Lesen der Aufgabe, muss ich feststellen, dass ich am Thema vorbei geschrieben habe. Vic! Thema verfehlt; setzen; „6“ 😀
Bei dem Titel „Future Love“ hätten ein paar Alarmglocken schrillen sollen, haben sie aber nicht. Ich war voll und ganz auf das Jahr 2065 fixiert, keine Ahnung, warum… Nachfolgend meine Version für das Leben im Jahr 2065 ohne „Love“ oder erstes Date:
Titel: Herzfehler
Excel betrachtete seine Frau, die nervös an ihrem Daumennagel kaute. Er setzte sich neben sie, legte ihr den Arm um die Schultern und flüsterte ihr beruhigende Worte ins Ohr, obwohl er selbst bis zum Zerreißen angespannt war: „Lian, es wird alles gut. Sie werden unser Baby retten. Das ist eine Routine-OP hat mir Dr. Messerbruch versprochen. Alles vollautomatisch und schon hundertmal durchgeführt.“
Er streichelte ihr über den Rücken. Die türkisfarbenen Leuchtdioden auf der großen Uhr an der Wand zeigten 9:56 Uhr. Gleich war es soweit. Excel konnte nicht still sitzen, ging an den Automaten in der einen Ecke und sagte: „Zweimal Kaffee“ und schon schossen 2 Becher unten aus der Öffnung, die sich mit der schwarzen Brühe füllten. Aus dem Lautsprecher fragte eine metallische Stimme: „Milch? Zucker?“ Abwesend schüttelte Excel den Kopf, den Blick halb auf Lian gerichtet. „Milch? Zucker?“ fragte die Stimme erneut. Ungeduldig riss Excel die Becher aus der Vorrichtung und setzte sich wieder neben Lian, über deren Daumen schon ein kleines Rinnsal mit Blut lief. Er reichte ihr einen Becher, holte schnell ein Papiertaschentuch aus seiner Hosentasche und legte es um ihren Daumen. Nicht dass der Alarm wegen einer offenen Wunde und Blut los ging. Als die Becher geleert waren, saßen sie Arm in Arm auf der hellgrünen Kunststoffbank, versuchten ruhig zu bleiben und sprachen sich gegenseitig Mut zu.
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Dr. Messerbruch schaute auf seinen Wandbildschirm. Einige Male hatte er ähnliche Operationen durchführen lassen, dennoch war er immer ein wenig nervös. Was sollte schon schief gehen? Die vollautomatisierte Anlage, in der Roboter hin und her fuhren, sirrende Geräusche von sich gaben, ihre Greifarme überall hatten und die computergesteuerten Systeme, die den kompletten Vorgang selbstständig übernahmen, wirkten noch immer beruhigend auf ihn. Die Techniker hatten die Operation Hf7811X in die Systeme einprogrammiert, mehrmals überprüft, wie es Vorschrift war, und frei gegeben. Während des Eingriffs saßen die Techniker und Ärzte in Räumen nebenan und verfolgten das Geschehen, konnten notfalls unterstützend eingreifen. Solange Dr. Messerbruch in diesem Komplex arbeitete, war das noch nie der Fall gewesen.
Er erinnerte sich an die Geschichten seines Urgroßvaters, der auch Arzt gewesen war, der ihm erzählt hatte, dass zu seiner Zeit im Operationsraum noch richtige Ärzte am Menschen operiert und sich Krankenschwestern um die Patienten gekümmert hätten. Dr. Messerbruch hatte diesen Erzählungen immer fasziniert und mit Spannung gelauscht und konnte sich selbst nicht vorstellen, wie es sich anfühlen sollte, einer lebenden Person mit einem Messer den Brustkorb aufzuschneiden. Überall würde das Blut hin spritzen, seinen weißen Kittel und seine Hände besudeln. Dr. Messerbruch schüttelte sich bei den Gedanken, kehrte wieder in die Realität und zu seinem Bildschirm zurück.
Die erst eine Woche alte Xena war auf dem riesigen Tisch kaum zu erkennen, verschwand unter grünen Tüchern, hinter den Greifarmen, Schläuchen und Monitoren. Überall blinkten gelbe, rote und grüne Lichter. Dr. Messerbruch kannte die Bedeutung jeder einzelnen Lampe, wusste, welche Meldungen die Monitore anzeigten.
Pünktlich um 10:00 Uhr blinkte oben links auf seinem Bildschirm das grüne „Go“-Zeichen auf. Es ging los. Mit den Händen in den Taschen verfolgte Dr. Messerbruch die Abläufe. 60 Minuten hatten sie einprogrammiert, dann war es vorbei. Die Aktion würde keine drei Minuten dauern, aber es war besser mehr Zeit zu veranschlagen, damit kein Zweifel entstand, dass nicht alles getan worden sei. Er sah die Eltern, Excel und Lian, die draußen auf dem Flur saßen und hoffnungsvoll darauf warteten, ihr Baby bald wieder gesund zu wissen und in die Arme schließen zu können, auf einem anderen Monitor. Sie waren aus der unteren Schicht, einfache Menschen, die in der Kantine des Fahrzeugherstellers Mobiltec3000 arbeiteten. Sie wachten darüber, dass die Belegschaft genügend Essen und Getränke in den Theken und Vitrinen vorfand.
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Seit es die aktuelle Regierung vor zwei Jahrzehnten an die Spitze geschafft hatte, veränderte sich das Leben zunehmend, es wurde weiter modernisiert und auf den allerneusten Stand der Technik gebracht. Dr. Messerbruch gefiel das, dieses angenehme Leben, in dem man nur darauf achten musste, dass alles seinen gewohnten Gang beibehielt. Die Schilderungen seines Urgroßvaters erheiterten ihn jedes Mal, wenn dieser ihm erzählte, dass sie früher in Supermärkte gefahren waren, um Lebensmittel und andere Produkte einzukaufen. Alleine schon das Wort: S u p e r m a r k t. Er musste sich in seinem Wohnbereich nur vor einen der Bildschirme stellen, sagen, was er brauchte und es wurde ihm innerhalb von wenigen Sekunden geliefert. Er entnahm den gewünschten Artikel einfach aus einem eigens dafür vorgesehenen Schacht neben der Wohnungstür. Küchen, wie sie sein Großvater ihm beschrieben hatte, gab es in ihrer modernen Welt nicht. Der Gedanke daran, dass damals Tiere nur zu dem Zweck gezüchtet wurden, um sie aufzuessen, jagte ihm einen Schauer über den Rücken.
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Jedem Neugeborenen wurde nach der Geburt direkt ein Chip in den Oberarm eingepflanzt, auf dem alle Daten seines zukünftigen Lebens gespeichert waren. So wusste das Staatssystem zu jeder Zeit, wie es seinem Volk erging. Alle Bürger lebten nach einem vorgegebenen Plan, hatten Arbeit, ihre Familien, ihre Bleibe, kleine oder große Wohnung, je nach Status. Es gab so gut wie nie Streit oder sonstige negativen Auswirkungen. Kaum einer lehnte sich gegen das System auf, das ihn so umsorgte und schützte. Eheleute in den unteren Schichten durften ein Kind bekommen, je höher man im Status und Ansehen war, desto mehr Kinder durfte eine Familie haben, aber nie mehr als drei. Es wurden nur gesunde Kinder akzeptiert, aber der Großteil der Bürger wusste das nicht.
Das Staatssystem erwartete, dass sich Frauen künstlich befruchten ließen, aber es kam vor, besonders in den unteren Schichten wie bei Lian, dass eine Frau auf natürlichem Weg schwanger wurde. Dr. Messerbruch konnte sich nicht erklären, wie Lian es geschafft hatte, am System vorbei schwanger zu werden. Das musste aber nicht seine Sorge sein. Das Staatssystem würde sich darum kümmern und hatte sofort reagiert und Maßnahmen ergriffen, als der Chip meldete, dass Xena mit einen Herzfehler zur Welt gekommen war.
Genau diese Maßnahme wurde soeben ausgeführt. Ein Blick auf den Bildschirm sagte Dr. Messerbruch, dass es für ihn an der Zeit war, zu den Eltern hinaus zu gehen. Innerlich wappnete er sich und setzte seinen Trauerblick auf, rief sich den einstudierten Text ins Gedächtnis:
„Lian, Ecxel, es tut mir aufrichtig Leid. Es wurde alles in unserer Macht stehende und menschenmögliche getan, um Ihrer kleinen Xena zu helfen, aber leider kam es zu einem Herzstillstand, eine Reanimation blieb erfolglos…“