„Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals auf Hawaii,“ wehte es zu mir herüber. Ich stand verdeckt hinter dem zur Seite gezogenen Vorhang und beobachtete die Frau gegenüber. Mitten im August standen alle Fenster und Terrassentüren sperrangelweit offen, um jeden Hauch von Luftzug in die Räume einzulassen. Die Frau war hübsch, ohne Zweifel, aber ihr Gesang, wenn ich das so nennen wollte, war es nicht. Sie sang nur diesen einen Satz, immer und immer wieder. Was sie wohl daran fand? So alt sah sie nicht aus, als dass ihr dieser Titel etwas bedeuten könnte.
Ich spürte, wie sich bei mir etwas regte, unterdrückte diesen Impuls, zog ein letztes Mal am Joint und sah ihr zu, wie sie sich das T-Shirt über den Kopf zog. Langsam, fast bewegte sie sich wie in Zeitlupe, als ob sie ahnte, dass sie einen Zuschauer hätte. Das Zimmer bei ihr war leer, soweit ich das überblicken konnte. Zu gerne hätte ich mir einen weiteren Joint gedreht, aber das Gras lag ganz hinten in meinem Kleiderschrank. Außerdem hatte ich mein Fernglas vergessen, aber ich hatte Angst, etwas am Fenster zu versäumen. Sie trug zwar noch einen Minirock und den schwarzen Spitzen-BH, aber meine Fantasie galoppierte davon, ich sah sie nackt vor mir. Sie kämmte ihre schwarze Mähne, ihre Brüste wippten auf und ab. Sie kam zur Fensterbank und mir war, als sehe sie mir direkt in die Augen. Das war unmöglich, mein Vorhang war schwarz und schwer, verdeckte mich vollständig, in meinem Raum brannte kein Licht, sie konnte mich nicht erkennen.
Wie oft hatte ich schon hier Position bezogen und ihr zugesehen. Nach dem Kämmen verschwand sie für eine Weile, bis zu einer Stunde konnte es dauern, ehe sie zurück kam, in einen weißen Bademantel eingehüllt. Solche, die man in besseren Hotels vorfand. Ich verharrte auf meinem Posten, um ihre Ankunft nicht zu verpassen, dachte an sie, das Fernglas und den Joint. Sie war für mich nicht erreichbar, aber den Joint könnte ich jetzt dringend gebrauchen. 335 Wörter.
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