Das Schreibtraining ging nach 30 Tagen zu Ende. Demnach hätte man sich fast jeden Tag mit einer 5- oder 10-Minutenübung aufgewärmt, die Timertechnik ausprobiert, seine 12 Kapitel am eigenen Projekt erstellt, Ideenfindung trainiert und ein Ideenbuch angelegt, in das man seine täglichen 10 Ideen notiert.
„Hätte“ sagt schon aus, dass ich nicht alles gemacht habe. Das Ideenbuch ist angelegt, 10 Ideen täglich habe ich nicht notiert, aber ein paar schon. Meine 6 Kapitel am Projekt habe ich ad acta gelegt, es fehlt noch ordentlich Innenleben, um weitere Kapitel zu schreiben. Alleine mir fehlt der richtige Drive, daran zu schreiben. Also ist die Geschichte nicht gut genug, zieht mich nicht in den Bann. Solche Einsichten sind wertvoll, so verplempere ich keine Zeit mit unnötigen Dingen, die dann doch im Sand verlaufen. Weggelegt ist nicht gelöscht oder weggeworfen. Für jede Idee kommt die richtige Zeit.
Eine Idee, die ins rosa Notizbuch gewandert ist, hat mich aber gepackt, so werde ich diese weiter ausbauen, meine Karteikarten füllen und währenddessen entscheiden, ob ich damit weiter arbeiten will. Meist nutze ich die kleinen Kärtchen, um mir eine Einkaufsliste zu schreiben. Sie sind von der Größe perfekt für die Geldbörse und es passen mehrere Einkaufstage darauf. 🙂
Die 5 Minutenübung sollte zu den Wörtern Ameise, Wand und Tradition geschrieben werden. Habe ich einige Tage vor mir hergeschoben, nun aber erledigt. >>
Gleich kommt die Tante vom Jugendamt. Und wehe, ich benehme mich nicht, droht mir Mama, ich soll gefälligst meine Kleider in den Schrank räumen, das Bett machen und die Schuhe vor die Tür stellen.
In meinem Zimmer unterm Dach unseres alten Hauses stehe ich am Fenster, das mit alten Holzrahmen ausgestattet ist, der total absplittert und durch den es bei schlechtem Wetter immer herein zieht. Eine Schlange von Ameisen zieht sich von der Holzleiste des Fußbodens an der abgegriffenen Tapete mit Blumenmuster auf der Wand zum Fensterbrett, das ebenfalls aus morschem Holz ist, nach oben. Backpulver sollen wir auf die Ameisen tun, hat Uroma immer gesagt. Wie gerne würde ich mich jetzt in ihre Arme kuscheln, einen Kakao vor mir stehen haben und mich geborgen fühlen. Das alte Haus ist auch von Uroma, die es meiner Oma, dann meiner Mama vermacht hat. So will es die Tradition, sagte Uroma zu Oma, die dann später zu Mama. Bei mir endet die Tradition, ich bin kein Mädchen. Mama guckt immer so traurig, wenn sie das sagt und sie sagt es oft. Oma nickt dann immer, Uroma ist schon tot, im Himmel und schaut auf uns herab. Sie ist bestimmt über 100 Jahre alt gewesen. Wo die ganzen Männer aus unserer Familie sind, verrät mir niemand. Auch Uroma nicht, die hat mir sonst immer alles erzählt. Geheimnisse, sagte sie, gibt es in einer Familie nicht. Anscheinend doch, sonst wüsste ich, wo Uropa, Opa und Papa sind. Mama sagt mir auch nichts. Ich frage nicht mehr, weil sie mir am Anfang mit dem Kochlöffel gedroht und zum Schluss das Ding auf mir benutzt hat. Ich stochere mit einem Stock an der Wand herum, die Ameisen fallen ab wie Blätter von den Bäumen, wenn der Herbst kommt. Der ganze mühselige Aufmarsch der Ameisen in Richtung Fenster und Freiheit war umsonst. Jetzt sind sie wieder unten auf dem Boden. Wenn ich sie zertrete, dann brauchen sie nicht noch einmal da hoch zu wandern. Ich erspare denen also einen weiten Weg. Ich darf nur nicht so laut trampeln, sonst kommt Mama hoch, mit dem Kochlöffel.
Warum die Tante vom Jugendamt Tante heißt, sagt mir keiner. Was sie genau will, erst recht nicht. Nur dass sie gleich kommt. Mama ist schon den ganzen Morgen aufgeregt durch das Haus gerannt, hat hier geputzt, da sauber gemacht, Staub gewischt und Wäsche in die Waschmaschine gestopft. Sogar ein Kochtopf steht auf dem Herd. Da steht sonst nie einer. Als Oma noch laufen konnte, hat sie immer gekocht. Das geht seit einer Weile nicht mehr. In ihre Arme kann ich mich nicht kuscheln, Kakao kochen kann sie mir auch keinen.
Ich muss schnell runter. Ameisen von der Wand fegen ist eines, aber ich habe Nachbars Katze in den Schuppen gesperrt, will wissen, wie sie von innen aussieht. 465 Wörter.
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